Anfänge der Politikwissenschaft – oder die revolutionäre Ausbildung zum kritischen Denken

Das Politische ist eine Grundbedingung des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Wir treffen das Politische alltäglich in den Medien, bei Diskussionen auf der Parkbank, im Parlament, wenn wir öffentliche Infrastrukturen nutzen oder Verträge abschließen. Überall dort wo es verschiedene Standpunkte, Interessen, Begehren und Wissensstände gibt, dort gibt es auch das Politische (vgl. Meyer 2010: 18ff.). Der Mensch – wie Aristoteles schon vor über 2.000 Jahren sagte – ist ein politisches Wesen (zoon politikon). Daher verwundert es kaum, dass sich politische Ideen schon in den ältesten Mythen und im antiken Griechenland finden lassen. Doch die institutionalisierte Form der Politikwissenschaft ist eine sehr junge Disziplin. Erst nach 1945, also nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte sich die Politikwissenschaft als eigenständige Universitätsdisziplin, „die nach der Erfahrung mit den totalitären Diktaturen bei allen Studierenden unabhängig von der gewählten Fachrichtung, nicht nur Verständnis für die Funktions- und Erfolgsbedingungen der Demokratie wecken, sondern auch eine Identifikation mit ihren Werten begründen sollte“ (Meyer 2010: 21).

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Politische Theorie oder politische Theorie? (Teil III)

Von Clelia Minnetian, Frederik Metje, Janosik Herder & Verena Häseler

Panel 5: Heterogenität des Politischen

Das fünfte Panel befasst sich mit dem Thema der Heterogenität des Politischen. Jeanette Ehrmann beschäftigt sich mit der Haitianischen Revolution mit dem Ziel einer Dekolonisierung des Politischen. Im zweiten Vortrag präsentieren Sebastian Huhnholz und Karsten Fischer ihre Überlegungen zum Politischen und der Orestie. Abschließend geht Alexander Weiß auf den Begriff des Politischen bei Wang Hui und Chantal Mouffe ein und präsentiert ein schematisches Modell mit dem Ergebnis, dass sowohl der Maoismus als auch der Liberalismus entpolitisierend wirken, da beide zu schwindender Resonanz und Kontingenz führen.

Vortrag: Martin Nonhoff: Radikale Demokratie oder Populismus? Spielarten des Politischen in der Hegemonietheorie

Martin Nonhoff fokussiert in seinem Vortrag die Unterscheidung zwischen radikaler Demokratie und Populismus, wobei er sich gegen die Verwendung des Populismusbegriffes für neue emanzipative politische Projekte ausspricht, wie dies etwa durch Chantal Mouffe vertreten wird. Denn – so seine These – besteht zwischen dem Populismus und der radikalen Demokratie zwar eine gewisse Ähnlichkeit, allerdings zeigen sich bedeutende Unterschiede in Bezug auf das Herrschaftsverständnis. Radikaldemokratische Perspektiven Politische Theorie oder politische Theorie? (Teil III) weiterlesen

Politische Theorie oder politische Theorie? (Teil II)

Von Clelia Minnetian, Frederik Metje, Janosik Herder & Verena Häseler

Panel 3: Grenzgänge des Politischen

Das dritte Panel beginnt leider mit der Ankündigung, dass Leonie Tuitjer krankheitsbedingt ausfällt, sodass sich nur zwei Beiträge des Grenzganges des Politischen annehmen. Die erste Grenze ist jene, die sich in den letzten Jahrzehnten zwischen politischer Wissenschaft und Didaktik etabliert hat und von Werner Friedrichs überschritten wird. Dieser macht zwei Varianten aus, in denen das Politische in der Politischen Bildung zum Tragen kommen kann: Als Lerngegenstand befindet sich das Politische gegenwärtig im Verschwinden, so versucht die Politische Bildung der derzeitigen Politikverdrossenheit durch mehr oder abstraktes Wissen zu begegnen. Gegen diese Tendenz bringt Friedrichs drei Thesen vor, die die Politische Bildung durch die ihr unbekannte Debatte um das Politische rekonzipieren sollen: Das Politische könne als Artikulationsraum, als Unentscheidbarkeit (gegen den Zwang zum Urteil) und als Unterbrechung in der Bildungspraxis wirken.

Mareike Gebhardt überschreitet im Anschluss eine andere Grenze – die der institutionell eng geführten Politiken – mit Hilfe des Spuks des Politischen. In Rekapitulation der Dissoziationskonzepte von Butler, Rancière und Lorey diagnostiziert sie diesen spezifische Dekonstruktionsweisen im Präsens. Auf dieser Grundlage fragt sie mit Derrida, wie eine dekonstruktive Politiktheorie eine nicht relativistische Position zu den gegenwärtigen Ethnonationalismen Politische Theorie oder politische Theorie? (Teil II) weiterlesen

Politische Theorie oder politische Theorie? (Teil I)

Von Clelia Minnetian, Frederik Metje, Janosik Herder & Verena Häseler

Einleitend zum Politischen (in) der Politischen Theorie

Die DVPW-Sektionstagung Das Politische (in) der Politischen Theorie vom 27. bis 29.09.2017 in Hannover wurde von den drei Organisator*innen Franziska Martinsen, Oliver Flügel-Martinsen und Martin Saar veranstaltet. Einleitend führt Oliver Flügel-Martinsen einige zentrale Dimensionen des Politischen aus, mit denen er das Thema der Tagung grob umreißt: (1) Das Politische als Umgestaltung, als Emanzipatorisches und Subversives. (2) Das Politische als Dimension, die über Institutionen und die institutionalisierte Politik hinausgeht und dabei etwas Fließendes, Bewegliches, Dynamisches ist. (3) Von einer Perspektive des Politischen aus über Politik nachdenken – von einem Verständnis der Gesellschaft ausgehend, dass sie unabschließbar und immer wandelbar ist. (4) Das Politische als etwas, das beschreibt, wie Diskurse auf Institutionen und Subjekte wirken und diese dadurch konstituiert werden. (5) Politische Theorie mit dieser Perspektive anders zu verstehen und damit eine kritische Betrachtung vornehmlich empirischen und inkrementellen sowie normbegründenden Modellen entgegenzusetzen. (6) Mit einem solchen Fokus zeitdiagnostisch vorzugehen und damit die Gegenwart (etwa hinsichtlich Rechtsradikalismus) in den Blick zu nehmen, die momentan durch eine auf Verständigung orientierte Politik geprägt ist.

Bereits diese einführenden Worte machen deutlich, dass die Tagung aus einer Perspektive formuliert wurde, die Politische Theorie potentiell als kritische Wissenschaft versteht. Gerade angesichts der gegenwärtigen politischen Entwicklungen bot die Tagung Raum zur Politische Theorie oder politische Theorie? (Teil I) weiterlesen

Hannah Arendt und die Pflicht zum Ungehorsam

In dieser Arte-Dokumentation kommen Aktivist*innen verschiedener revolutionärer Bewegungen zu Wort mit Bezug auf die politische Theoretikerin Hannah Arendt. Ein Beispiel dafür, wie politische Theorie Hilfeleistung für politiches Handeln bieten kann, indem sie etwa ermöglicht, das Geschehende zu denken und in Worte zu fassen.

Wer übrigens das sehr sehenswerte Interview von Günter Gaus mit Hannah Arendt kennt, wird einige Szenen wiedererkennen.