Die Gattung ‚Gelehrte/r‘ stirbt aus

Kurzer Hinweis auf einen spannenden Artikel im Unispiegel über die modernen Hochschulen und ihren Einfluss die Figur des Professors / der Professorin. Der Autor, selbst Prof. für Kulturwissenschaft, macht ein paar ganz gute Argumente dafür, wie die veränderte Situation an den Hochschulen einen bestimmten Typus von Professor_in behindert, einen anderen begünstigt. Ich finde was er schreibt, trifft eigentlich besonders auf Disziplinen wie die Politische Theorie zu, auch wenn er sich darauf nicht gesondert bezieht. Was meint ihr, ist es in Zeiten von Bologna, Internet und Exzellenz schwerer zum bücherwälzenden Gelehrten zu mutieren?

Den Artikel findet ihr hier: Hochschulkultur: Wie Unis Genialität verhindern.

Ich denke, die Entwicklungen, die der Autor beschreibt, sind auf keinen Fall von der Hand zu weisen. Was mir im Beitrag allerdings ein wenig fehlt, ist eine kritische Perspektive auf genau diese Figur des genialen Gelehrten, der für sich in seinem Kämmerlein arbeitet: Ist das wirklich eine so wünschenswerte Figur in einer Zeit, in der Zugang zu Wissen nicht mehr so exklusiv ist wie früher? Gibt es da nicht andere Perspektiven, in der Wissenschaftler_innen weder Manager sind, noch allwissende Halbgötter? Das muss doch irgendwie gehen.

Video: David Harvey ‚Contradictions of Capital‘

Ein Fundstück für Freunde von David Harvey und solche, die es werden wollen: Die Warwick-Lecture aus dem Februar in brillanter Bild- und Tonqualität. Thema sind die Widersprüche des Kapitals, aber wie es eben so ist, geht’s auch um tausend andere Dinge, die spannend sind und die Welt bewegen.

Das Video gibt es hier, viel Freude beim Widersprüche zählen!

Mehr Infos dazu findet ihr auf dieser Seite.

Schlussfolgerung: Zurück zum Neo-Leninismus!

Raymond Geuss bezeichnet sich selbst als einen Anhänger des Kontextualismus. Politische Theorie und Philosophie sind deshalb bei ihm immer mit praktischen Interventionen verbunden und stehen damit in einem engen Verhältnis mit der Politik. Politik ist konkret, handlungsorientiert und ‚parteilich‘ und Geuss versteht sie als eine Kunst oder ein Können, die politische Urteilskraft verlangen: Welche Modelle, die von der politischen Philosophie formuliert werden können, in welcher Situation anzuwenden sind, welche Möglichkeiten und welche Grenzen sie aufweisen.

Als wesentliches Ziel dieses Buches nennt er die Kritik – und Geuss vertritt eindeutig die Ansicht, dass Kritik nicht positiv oder konstruktiv sein muss. Unter der Annahme der Ideologiekritik, die in einem früheren Teil dargelegt wurde, kann politische Theorie demnach die bestehende Ideologie kritisieren und Machtverhältnisse aufdecken, ohne eine klar formulierte und ausgearbeitete Alternative zu präsentieren. Im Gegenteil: Der Vorwurf an die Kritik, nicht positiv zu sein, kann als Abwehrmechanismus und als Widerstand gegen Wandel verstanden werden. Andererseits weist Geuss darauf hin, Schlussfolgerung: Zurück zum Neo-Leninismus! weiterlesen

Kapitel 2: Verfehlter Realismus

Inwiefern hebt sich die vorher beschriebene Form des Realismus von anderen Positionen der politischen Philosophie ab?  Dieser Frage geht Geuss im dritten Kapitel Verfehlter Realismus nach und geht zur Abgrenzung auf zwei einflussreiche Ansätze ein, die das Gegenteil des von ihm favorisierten Realismus darstellen sollen.

  1. Der erste Ansatz  – der Abschnitt ‚Rechte‘

Auf der einen Seite steht der letztlich untaugliche Versuch, die Konstruktion einer Gesellschaft an einem idealisierten Rechtssystem auszurichten, das auf der Idee von Individualrechten aufbaut. Besonders kritisch betrachtet Geuss dabei die Vorstellung von subjektiven Rechten, die jedem aufgrund seiner Wesenseinheit  zustünden. Diese „merkwürdigen Rechte“, die als etwas gedacht werden, „was ihrer Kodifizierung und Durchsetzung in einem funktionsfähigem Rechtssystem ‚vorhergeht‘“ (87), seien eigentlich eine Erfindung Kapitel 2: Verfehlter Realismus weiterlesen