Zur Unterbrechung des regulatorischen Prozesses von Gender-Normen: Judith Butlers dynamisiertes Normverständnis (Lesekreis 2018 – Runde II)

Ich möchte diese Ausführung zu Butlers Text zu Gender-Regulierungen mit einem Aspekt beginnen, den sie zum Schluss des Textes anführt und in verschiedenen Essays des Buches Die Macht der Geschlechternormen und die Grenzen des Menschlichen anspricht. Es handelt sich um verschiedene Formen sozialer Strafen bei Verstößen gegen die Geschlechternormen. Dazu gehören die operative Herrichtung von Intersex-Individuen, die medizinische und psychiatrische Pathologisierung und Kriminalisierung von Menschen mit einer ‚Gender-Dysphorie‘, die Schikanierung von genderuntypischen Personen im Alltag, die Diskriminierung bei Stellensuche und Gewalt (Butler 2017: 95).[1] Diesen Phänomenen, die enorme negative Wirkungen auf die Betroffenen haben, liegen spezifische Geschlechternormen zugrunde. Butler fragt nicht zuletzt deshalb nach der Art und Weise, wie eine solche Regulierung von Gender zustande kommt, wie sie funktioniert, sowie daran anschließend nach Möglichkeiten der Abweichung von der Norm, die den regulatorischen Prozess selbst unterbricht (Butler 2017: 91).

Was ist eine Norm? Eine Annäherung durch Lacan und Foucault

Doch nun zurück zum Anfang. Ihren Essay beginnt sie mit der Erkundung zentraler Begrifflichkeiten. Vorab der Begriff der Regulierung, der namensgebend im Titel erscheint. Dieser weist auf die Institutionalisierung des Normalisierungsprozesses von Personen hin. Dabei betont sie die Pluralform Regulierungen, um die konkreten Gesetze, Regeln und Praktiken in den Blick zu bekommen, die die rechtlichen Instrumente konstituieren, die wiederum Personen normalisieren (Butler 2017: 71). Dabei sind rechtliche Instrumente oft prägnante Beispiele, wobei Butler betont, dass Gender-Normen auch andere Formen annehmen können.

Zentral in diesem Essay steht jedoch das Konzept der Norm. Diesem nähert sich Butler nun von zwei verschiedenen Theorierichtungen her: aus einer psychoanalytischen Perspektive nach Jacques Lacan und aus einer diskurstheoretischen Perspektive im Anschluss an Michel Foucault.

In einer lacanschen psychoanalytischen Perspektive sind Normen im Anschluss an den Strukturalismus von Claude Lévi-Strauss in symbolische und soziale Normen zu unterscheiden.[2] Lévi-Strauss (der wiederum von Ferdinand de Saussures struktureller Linguistik beeinflusst ist) beschäftigt sich in Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft (1981) hinsichtlich des Inzesttabus mit der Frage, welchen Status diese Verbote und Positionen haben. Er kommt zum Ergebnis, dass das Inzestverbot nicht nur biologisch erforderlich, sondern ein rein kulturelles Phänomen ist – wobei kulturell bei ihm nicht kulturell kontingent meint, sondern universellen Gesetzen der Kultur entsprechen, die nicht veränderbar sind (Butler 2017: 78). Dies bildet die Grundlage der lacanschen Vorstellung des Symbolischen, das vom biologischen und sozialen Bereich verschieden ist. Das Symbolische bei Lacan verbindet (formal-)mathematische und anthropologische Verwendungen miteinander und entspricht bei ihm linguistischen Regeln, die er als das Universelle der Kultur versteht. Er nimmt also eine Verschiebung vom Kulturellen zum Sprachlichen hin vor, wobei die linguistischen Regeln die Verwandtschaftsbeziehungen stützen, die durch und als Sprache operieren. Das Geschlecht (le sexe) ist in diesem Sinne eine linguistische Kategorie (nicht Gender) auf der Trennlinie zwischen dem Sozialen und dem Biologischen. Die Regulierung von Gender geschieht dabei klar auf Basis des Symbolischen und ist damit der Psyche von Anfang an auferlegt (Butler 2017: 76).

Das Normverständnis, das Butler vorschwebt, ist also ganz und gar nicht das, was Lacan unter der symbolischen Position versteht (Butler 2017: 79). Sie fragt im Gegenteil kritisch nach den Konsequenzen, wenn Untersuchungen zu Verwandtschaftsbeziehungen mit Perspektiven der strukturalistischen Linguistik – die Verwandtschaftspositionen als grundlegende linguistische auffassen und sie damit als zeitlose Gegebenheiten verstehen – verknüpfen (Butler 2017: 80). Der offensichtliche Effekt ist, dass diese nicht mehr verrückbar sind. Butler argumentiert dafür, dass „jeder Anspruch, Regeln aufstellen zu können, die das ‚Begehren‘ in einem ewigen und unveränderlichen Bereich des Gesetzes ‚regulieren‘, begrenzten Nutzen für eine Theorie hat, die die Bedingungen zu erkennen sucht, unter denen eine soziale Transformation von Gender möglich ist“ (Butler 2017: 77). Und da sie explizit nach solchen Bedingungen der Transformation sucht, argumentiert Butler dafür, dass sich die Unterscheidung zwischen dem Sozialen und dem Symbolischen nicht aufrechterhalten lässt und auch das Symbolische eine Sedimentierung sozialer Praktiken sei und somit die Verwandtschaftsbeziehungen neu formuliert werden müssten (in Abgrenzung zu den Verwandtschaftsbeziehungen bei Lévi-Strauss) (Butler 2017: 78). Sie distanziert sich daher klar von einer Gleichsetzung der Norm mit der symbolischen Position, da die Norm sozial produziert sei. Sie geht gar noch weiter und schlägt vor, die symbolische Position im Sinne einer Norm zu verstehen, womit sie kontingent werden würde (Butler 2017: 80). Da stellt sich die Frage, weshalb sie überhaupt eine solche psychoanalytische Perspektive heranzieht. Die Antwort darauf lässt sich im Aspekt des Begehrens finden, der für Butler eine zentrale Kategorie darstellt – und den sie auf gewisse Weise als eine grundlegende menschliche Kategorie versteht. Sie räumt dabei ein, dass das Begehren grundlegenden Bedingungen unterworfen sei, wobei diese aber nicht determiniert seien; denn die ermöglichenden Strukturen seien nicht zeitlos oder unangreifbar und somit die Norm in ihrer notwendigen Zeitlichkeit für Verschiebung durch Subversion offen (Butler 2017: 82).

Nachdem ihr also ein lacansches Verständnis der Norm nicht weiterhilft, sieht sich Butler bei Foucault um, dessen Verständnis des historischen Gewordenseins von Normen vielversprechender scheint. In Der Wille zum Wissen: Sexualität und Wahrheit 1 (1983) identifiziert Foucault das 19. Jahrhundert als Phase, in der die Norm als Mittel der Regulierung relevant wurde, wobei diese nicht mit der Funktionsweise des Rechtes identisch sei. Im Anschluss daran führt Butler mit François Ewald das Verhältnis von Norm und Recht weiter aus. Oft treten die beiden in einem engen Verhältnis auf, wenn sich etwa Normen in Form von Gesetzen wiederfinden. Wo das Recht aber stärker auf Zwang und Gewalt setze, funktioniere die Norm als implizite Logik, die ihre Strategien reflektiere und ihre Objekte definiere (Butler 2017: 85-86). Ewald differenziert dabei zwischen der Norm und der Regel, die zwar manchmal auch als Synonyme funktionierten, aber die Norm gleichzeitig das sei, was den Regeln eine bestimmte Kohärenz verleihe. Die Norm ist somit nicht eine „besondere Sorte von Regeln […], sondern als eine Art, sie zu hervorzubringen, und als ein Prinzip der Aufwertung“ (Butler 2017: 86, Hervorhebung im Original). Laut Ewald wandelt die Norm Zwänge in einen Mechanismus um, wodurch die juristische Macht produktiv wird und die negative Einschränkung in die positivere Kontrolle der Normalisierung verschoben wird. Die Norm konstituiert in diesem Sinne Macht (a) als eine Anzahl organisierter Zwänge und (b) als einen regulierenden Mechanismus (Butler 2017: 87).

Bezogen auf die Frage der Subjektivierung sieht Butler diese als einen Prozess an, durch den Gender produziert wird, denn mit Foucault geht Butler davon aus, dass ein Diskurs Subjekte aktiv konstituiere. Dazu formuliert sie zwei Punkte: 1) Die regulatorische Macht wirkt nicht auf ein präexistentes Subjekt ein, sondern formt und prägt dieses durch seinen produktiven Effekt. 2) Einer Regulierung unterworfen zu werden bedeutet subjektiviert zu werden (Butler 2017: 72, 87). Dabei ist die Norm „ein Maß und ein Mittel, um einen gemeinsamen Standard hervorzubringen“ (Butler 2017: 87), wodurch bei einem Anwendungsfall eine Unterwerfung unter eine abstrakte Gemeinsamkeit stattfindet. Dafür führt sie ein Beispiel von Mary Poovey an, die in ihrem Buch Making a Social Body (1995) die Bemühungen Ende des 18. Jahrhunderts beschreibt, Teile der britischen Bevölkerung als Aggregate darzustellen und eine soziale Sphäre – in Abgrenzung zur politischen oder ökonomischen – zu beschreiben. Dies geschieht durch quantitative Messungen, die dadurch normative Phänomene produzieren, weil es jetzt ein Mittelmaß, ein Ideal gibt. Auch Ewald denkt in dieselbe Richtung: Für ihn hat eine Norm zugleich eine individualisierende und eine vergleichbar machende Wirkung. Er versteht die Norm als ein Prinzip des Vergleiches, das sich in der Referenz einer Gruppe auf sich selbst herausbildet (Butler 2017: 87–88).

Dabei hat – wieder mit Foucault gesprochen – die Norm kein Außen. Das Anormale gehört genauso zur Norm und bestärkt diese nur weiter durch die Abweichung. Doch genau dies ist für Butler an dieser Perspektive problematisch, da sie explizit nach Möglichkeiten für eine Verschiebung von Normen sucht. Sie konstatiert somit, dass ihr sowohl die lacansche als auch die foucaultsche Perspektive bei der Suche nach Möglichkeiten der Normverschiebung nicht weiterhilft. Der Leserin erscheint die Argumentation an diesem Punkt allerdings nur der Symmetrie halber haltbar, damit Butler beide angeführten Positionen gleichermaßen zurückweisen kann. Denn genauer betrachtet bietet sowohl Foucault selbst die Möglichkeit des Widerstandes – auch wenn er diese in seinen Arbeiten meist nicht weiter ausführt – als auch greift Butler in ihrer weiteren Argumentation eine Position auf, die sich primär in Foucaults Spur bewegt.

Normen und soziale Praktiken

Der im Weiteren zentrale Ansatzpunkt in Butlers Argumentation ist die Eingelassenheit der Norm in soziale Praktiken, wodurch sie das Normverständnis dynamisiert. Die Norm kann zwar analytisch von den sozialen Praktiken unterschieden werden, allerdings kann die Erforschung von Normen nicht abstrakt geschehen, da die Macht mit den Instanzen verbunden ist. So hat die Norm einen Status und einen Effekt, der zwar unabhängig von einer Handlung ist und ist somit nicht mit ihr identisch, aber sie regiert die soziale Intelligibilität einer Handlung: „Die Norm regiert die Intelligibilität, sie ermöglicht, dass bestimmte Praktiken und Handlungen als solche erkannt werden können. Sie erlegt dem Sozialen ein Gitter der Lesbarkeit auf und definiert die Parameter dessen, was innerhalb des Bereichs des Sozialen erscheinen wird und was nicht.“ (Butler 2017: 73) Die Norm nimmt somit eine Vorstrukturierung des Sozialen vor.

Dieser Aspekt ist auch bei Pierre Macheray (1991) zu finden, den sie als weiteren Baustein in ihre Argumentation aufnimmt. Er versteht Normen als „nicht unabhängige und selbstgenügsame Entitäten oder Abstraktionen […], sondern als Handlungsformen“ (Butler 2017: 89). Die Kausalität, die Normen ausüben, sind seiner Ansicht nach nicht transitiv, sondern immanent. Aus dieser Immanenz leitet er weiter ab, dass Normen nicht im Vorfeld des Handelns bereits restriktiv gegeben sind, sondern die Norm besteht erst in und durch die Handlung fort (Butler 2017: 89–90). Mit diesem Gedanken wird das Handeln als Ort definiert, an dem hinsichtlich einer Normverschiebung eingegriffen werden kann.

„So gesehen ist es nicht mehr möglich, die Norm selbst vor den Folgen ihres Wirkens und gewissermaßen hinter ihnen und unabhängig von ihnen zu denken; man muß vielmehr die Norm denken, wie sie just in ihren Wirkungen wirkt, nicht so, daß deren Wirklichkeit durch ein einfaches Bedingungsgefüge beschränkt wird, sondern so, daß sie mit dem Maximum an Wirklichkeit, zu dem sie fähig sind, ausgestattet werden“ (Macheray 1991: 184–185 zitiert nach Butler 2017: 90, Hervorhebung JB).

Dabei kann die Norm zwar nicht auf ihre Einzelfälle zurückgeführt, aber auch nicht vollständig aus ihnen herausgelöst werden, da sie dem Feld ihrer Anwendung nicht äußerlich ist. Sie bringt das Feld ihrer Anwendung hervor, wobei die Norm sich selbst erzeugt. „Die Norm verleiht ganz aktiv Realität; tatsächlich wird die Norm nur kraft ihrer wiederholten Macht, Realität zu verleihen, als eine Norm geschaffen.“ (Butler 2017: 90)

Gender-Normen und ihre Veränderung

Doch was genau ist nun Gender – und ab wann existiert es? Butler versteht Gender als eine historische – und somit nicht essentielle – Norm, die geschlechtlich markierte Subjekte erst durch die Regulierung hervorbringt.

„Gender ist weder genau das, was man ‚ist‘, noch das, was man ‚hat‘. Gender ist der Apparat, durch den die Produktion und Normalisierung des Männlichen und Weiblichen vonstatten geht – zusammen mit den ineinander verschränkten hormonellen, chromosomalen, psychischen und performativen Formen, die Gender voraussetzt und annimmt.“ (Butler 2017: 74)

Gender-Normen bringen dabei einen Realitätsbereich hervor, und dieser wiederum bildet den Hintergrund dafür, dass Gender in einer idealisierten Dimension erscheint. Dabei ist die Gender-Norm nicht als Vorbild zu verstehen, dem sich ein Individuum anzunähern versucht.

„Es ist im Gegenteil eine Form sozialer Macht, die das intelligible Feld der Subjekte hervorbringt, und ein Apparat, durch den die Geschlechterbinarität eingerichtet wird. Als Norm, die unabhängig von den Praktiken zu sein scheint, die sie regiert, resultiert die Idealität von Gender aus dem wiederholt herbeigeführten Effekt genau jener Praktiken.“ (Butler 2017: 84)

Obwohl die Norm also analytisch von ihren Verkörperungen getrennt werden kann, weist Butler dezidiert darauf hin, dass genau diese Trennung zu einem Verständnis der Norm führe, die sie als zeitloses und unveränderliches Ideal verstetige.

„Tatsächlich besteht die Norm nur in dem Ausmaß als Norm fort, in dem sie in der sozialen Praxis durchgespielt und durch die täglichen sozialen Rituale des körperlichen Lebens und in ihnen stets aufs Neue idealisiert und eingeführt wird. Die Norm besitzt keinen unabhängigen ontologischen Stellenwert, und dennoch kann sie nicht einfach auf ihre Erscheinungen reduziert werden. Sie wird durch ihre Verkörperungen (re-)produziert, durch die Handlungen, die sich ihr anzunähern suchen, durch die Idealisierungen, die in und durch solche Handlungen reproduziert werden.“ (Butler 2017: 85)

Hier – in den sozialen Praktiken – wird nun der Ansatzpunkt zur Unterbrechung des regulatorischen Prozesses deutlich. Denn in ihnen werden die Gender-Normen überhaupt erst reproduziert und wirkmächtig; doch gleichzeitig ist die Beziehung zwischen den Praktiken und der Idealisierung kontingent, und die Idealisierung kann kritisiert und dabei auch entidealisiert werden. Die Reproduktion der Gender-Normen erfolgt durch körperliche Praktiken, die sie aufrufen und zitieren. Dabei besteht das Potential, dass sich die Normen durch die Zitation verändern (Butler 2017: 91). Butler schlägt hier also ein Verständnis von Normen vor, das Veränderung im Prozess der Aufrufung und Zitation im Rahmen der sozialen Praktiken zulässt.

Hinsichtlich einer kritischen Praxis weist sie allerdings auch auf bestehende Fallstricke hin. So ist zum einen zu berücksichtigen, dass Gender nicht nur die Matrix des ‚Männlichen‘ und ‚Weiblichen‘ umfasst, denn auch die Produktion dieser Binarität ist kontingent. Gerade ein solcher restriktiver Diskurs über Gender, der bei der Binarität verbleibt, schließt ein weiteres Verständnis ab und führt daher selbst eine „regulatorische Operation von Macht durch“ (Butler 2017: 75, Hervorhebung im Original). Zum anderen ist Gender nicht auf Sexualität zu reduzieren, wie sie es an den Ausführungen von Catherine MacKinnon (1987) kritisiert, die sich mit dem Schutz gegen sexuelle Belästigung beschäftigt.[3] MacKinnon geht von einer grundsätzlicheren sexuellen Unterordnung von Frauen aus, die auf die heterosexuelle hierarchische Struktur zurückzuführen sei (Butler 2017: 92). Das Problem an solchen Regulierungen – die mit einer Sichtweise von Sexualität begründet werden, die Gender als das Ergebnis einer sexuellen Unterordnung im Rahmen von Heterosexualität definieren – besteht darin, dass genau dadurch bestimmte Annahmen von Gender und Sexualität bekräftigt werden. Dadurch werden diese Regeln selbst zum Werkzeug der Genderproduktion. Zudem gerät dadurch – so Katherine Franke – die zugrundeliegende Ideologie aus dem Blick, die durch eine grundlegendere gesellschaftliche Praxis geschlechtlich geformte Körper hervorbringt (Butler 2017: 94–95).

Fazit: Regulierung, Normen und Subjektivierung

Abschließend trägt Butler nochmal die zentralen Punkte ihres Verständnisses von Regulierung zusammen. Regulierung normalisiert, wobei sie durch Normen operiert. Die Normen werden in sozialen Praktiken reproduziert, wodurch eine Idealität hergestellt wird, die ihre Geschichtlichkeit und Veränderbarkeit kurzzeitig aussetzt. Normen können eine rechtliche Form annehmen, erschöpfen sich aber nicht in dieser Dimension. Des Weiteren beruht die Regulierung hinsichtlich Subjektivierungsprozessen auf Kategorien, die Individuen sozial austauschbar machen, was als Prozess der Normalisierung verstanden werden kann. Dabei muss bei der Analyse – etwa von rechtlichen Regulierungen – in den Blick genommen werden, was diese nicht nur primär regulieren, sondern was sie darüber hinaus für Ideale etablieren. So definieren etwa staatliche Regulierungen des Adoptionsrechtes nicht nur, wer zur Adoption berechtigt ist, sondern bestärken auch ein Ideal davon, was Eltern sind oder in was für einem Verhältnis die beiden Partner leben sollen. Dabei kommt es zu einer „Produktion von Parametern der Personalität, das heißt die Herstellung von Personen in Übereinstimmung mit abstrakten Normen, welche die einzelnen Menschenleben zugleich bedingen und übersteigen – und auch zerbrechen“ (Butler 2017: 96). Damit schließt Butler mit einer Sensibilisierung für die weitreichende Wirkung von (Gender-)Normen, womit sie die Dringlichkeit nach der Unterbrechung dieses regulatorischen Prozesses erneut in den Vordergrund rückt.

 

Literatur

Butler, Judith, 2017: Die Macht der Geschlechternormen und die Grenzen des Menschlichen, 4. Auflage, Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Foucault, Michel, 1983: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1, Frankfurt am Main.

Franke, Katherine, 1997: What’s Wrong with Sexual Harrassment?, in: Stanford Law Review, Nr. 49, 691–772.

Lévi-Strauss, Claude, 1981: Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft, Frankfurt am Main.

Macheray, Pierre, 1991: Für eine Naturgeschichte der Normen, in: François Ewald/Bernhard Waldenfels (Hg.): Spiele der Wahrheit. Michel Foucaults Denken, Frankfurt am Main, 171–192.

MacKinnon, Catharine, 1987: Feminism Unmodified: Discourses on Life and Law, New York.

Poovey, Mary, 1995: Making a Social Body: British Cultural Formation, 1830–1964, Chicago.

 

[1] In der Diskussion zur chirurgischen Korrektur intersexueller Kinder argumentieren die Befürworter damit, dass die abweichenden primären Geschlechtsmerkmale korrigiert werden müssen, damit sich die Kinder integrieren und Normalität erreichen können. Gender funktioniert hier als regulatorische Norm, wobei die physischen und psychischen Kosten dafür enorm sind.

[2] So ist etwa die symbolische Position des Vaters nicht gleich den sozial geschaffenen und änderbaren Positionen, die Väter im Laufe der Zeit eingenommen haben. Das Symbolische als universelle Regel begrenzt somit utopistischen Bemühungen.

[3] Diese Kritik wird auch von der Queer-Theory aufgegriffen. Diese definieren deshalb, dass zum einen Sexualität von Gender zu trennen ist, und zum anderen, dass Gender nicht auf hierarchisch organisierte Heterosexualität zu reduzieren ist. Um dies zu belegen, zeigen sie sexuelle Möglichkeiten, die nicht durch Gender beschränkt werden, und legen Möglichkeiten von Gender dar, die nicht von Heterosexualität vorbestimmt sind.

Veröffentlicht von

Clelia Minnetian

Clelia ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Theorie und Allgemeine Soziologie an der Universität Bielefeld. Sie forscht im DFG-Projekt 'Zur Institutionalisierung der Rankings. Diskurskarrieren tabellarischer Leistungsvergleiche zwischen 1850 und 1980' und promoviert im Rahmen des Graduiertenkollegs 'Innovationsgesellschaft heute' an der TU Berlin zu gouvernementalen Technologien der staatlichen Berufsorientierung mit Blick auf Prozesse der Subjektivierung. Weitere Interessenschwerpunkte liegen auf der Politischen Theorie – insbesondere im Bereich des Poststrukturalismus und der Diskurstheorie.